Kleiner Mieterstrom geht jetzt etwas einfacher

Wohngebäude mit wahrscheinlich 4 Wohneingheiten und Photovoltaikanlage, prädestiniert für "Kleinen Mieterstrom"Foto: MG-Pictures / stock.adobe.com
"Kleiner Mieterstrom" in Gebäuden mit wenigen Wohneinheiten, war bislang kaum möglich. Das ändert sich nun.
Für Mieterstromprojekte haben sich die Bedingungen in den vergange­nen Monaten deutlich verbessert. Wer will, kann dies nun auch in Gebäuden mit wenigen Mietparteien realisieren. Allerdings gibt es auch noch weiteres Verbesserungspotenzial.

Michael Vogtmann, Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie (DGS) in Franken und Berater für Photovoltaik, sieht einen deutlichen Schritt nach vorn, wenn es um den Mieterstrom geht. Auch das Interesse habe sehr stark zugenommen. Vogtmann macht das an den kostenpflichtigen Downloads von Verträgen für Mieterstrom in unterschiedlicher Ausführung fest, die die DGS Franken anbietet. Deren Zahl habe sich massiv erhöht. Zudem halte er einen Vortrag nach dem anderen zum Thema.

DGS rechnet mit Zuwachs beim Mieterstrom

Wegen der geplanten bürokratischen Erleichterungen im Steuersektor rechnet Vogtmann mit einem weiteren Zuwachs bei Mieterstromprojekten. Das Bundesfinanzministerium (BMF) will Photovoltaikanlagen bis 30 Kilowatt an Gebäuden generell von Ertragssteuern freistellen (siehe Solarthemen vom 7.9.2022). Für einige Vermieter:innen bedeutet das den Wegfall einer weiteren möglichen Hürde – gerade im Bereich kleiner Mieterstrom.

Wegfall der EEG-Umlage hilft Mieterstrommodellen

Mit dem Verzicht auf die EEG-Umlage ist noch eine weitere verschwunden. Das beschlossene Energiefinanzierungsgesetz (EnFG) garantiert nun auch, dass Strom, der nicht aus dem allgemeinen Stromnetz kommt, nicht mit EEG-, KWK-, und Offshorewind-Umlagen belastet ist. Verbunden ist damit auch eine deutlich leichtere Handhabung von Mieterstromprojekten. Die bisherigen sehr komplizierten Regelungen zur Eigenstromproduktion und Belieferung von Dritten sind damit vom Tisch.

Die Zahl der Verpflchtungen reduziert sich damit auf ein überschaubares Maß. Ganz ohne Bürokratie geht es aber noch nicht. Vogtmann und die DGS würden sich hier wünschen, dass der Bundestag die Bagatellgrenzen, die nun im BMF für das Jahressteuergesetz 2023 vorgesehen sind, auf die derzeitigen Pfichten überträgt. Sprich: sie einfach fallen lässt. Vermieter:innen könnten dann die Lieferung an ihre Mieter:innen frei gestalten. Sie wären lediglich an das Bürgerliche Gesetzbuch und die vorhandenen Mieterschutzgesetze gebunden.

Gutachten zum Thema Kleiner Mieterstrom

Derzeit bewegten sich einige Vermieter:innen in einer Grauzone, stellen die Jurist:innen Bettina Hennig und Steffen Herz von der Kanzlei Bredow Baentin Herz in einem Rechtsgutachten zum „kleinen Mieterstrom” für die Verbraucherzentrale NRW fest. Das Gutachten ist Ende 2018 erschienen und bezieht sich auf die damalige Situation. Insofern sind einige Hürden für den Mieterstrom schon weggefallen. Doch die Jurist:innen kamen damals zu dem Ergebnis, viele Vermieter:innen, die Solarstromanlagen betreiben, würden die rechtlichen Bedingungen häufig nicht kennen und ignorieren oder seien schlicht überfordert. Ähnlich kann dies wohl auch noch heute gelten. Doch wer sich etwas mit dem Thema befasst, muss sich nicht schrecken lassen.

Das gilt etwa für die Stromsteuern, für deren Zahlung Stromlieferanten verantwortlich sind. Davon betroffen sind – derzeit noch – grundsätzlich auch stromliefernde Vermieter:innen. Zwar gibt es hier Ausnahmen: Stromsteuern fallen innerhalb von Kundenanlagen – also einer üblichen Mieterstromkonstellation – bis zu einer Leistung von zwei Megawatt nicht an; dieser Strom ist von der Steuer befreit. Aber auch Betreiber:innen kleiner Anlagen müssen diese beim Hauptzollamt anmelden und jedes Jahr zum 31. Mai die Menge des stromsteuerbefreiten Stroms an das Amt übermitteln.

Keine weiteren Meldepflichten für Mieterstrom

Weitere Meldepflichten, die über die eines PV-Anlagenbetreibers ohne Lieferung an Dritte hinausgehen, gibt es nicht. Allerdings müssen Vermieter:innen als Stromlieferant:innen gegenüber ihren Mieter:innen Rechnungen stellen, die den Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes entsprechen. So müssen sie etwa den Strommix des gelieferten Stroms aufschlüsseln und Vergleichsdaten zu anderen Stromkunden aufbereiten. Es ist sicherlich in Frage zu stellen, ob dies bei Projekten mit wenigen Mietparteien tatsächlich sinnvoll ist.

Eine Herausforderung ist zudem das jeweilige Messkonzept. Wie wird der PV-Strom mit den jeweiligen Nutzer:innen abgerechnet und eventuell mehreren Mieter:innen zugeordnet? Bei einem Mieter in einem Einfamlienhaus ist es noch einfach. Den Photovoltaikstrom, der nicht ins Netz eingespeist wurde, hat der Mieter verbraucht. Jetzt kommt es zunächst darauf an, welches Modell Ver­mie­ter:innen bzw. Anlagebetreiber:innen nutzen wollen. Sie können die För­­de­rung des Mieterstroms über das EEG in Anspruch nehmen, deren Höhe die Bundesnetzagentur für das Jahr 2023 erst noch festlegen muss. Oder sie verzichten auf diese Förderung. Dies ist dann mit deutlich mehr Freiheiten bei der Vertragsgestaltung verbunden. Es gibt keine Regelungen zur Preisgestaltung. Es ist nicht wichtig, welchen Anteil Wohnungen an der Gesamtfläche in einem Gebäude ausmachen. Und der Vermieter ist nicht gezwungen, als Volllieferant für Strom zu fungieren.

Voll- oder Teilbelieferung mit Mieterstrom

Beim geförderten Mieterstrom macht hingegen nicht allein der Solarstrom das Angebot an die Mieter:innen aus. Sondern der Vermieter oder ein beauftragter Dienstleister muss den gesamten Strom liefern. Dies könnte neue Mieterstromangebote derzeit auch schwie­rig machen. Denn die Strompreise sind hoch. Und es hängt vom Vertrag des Vermieters mit seinem Stromlieferanten etwa für den Allgemeinstrom für Treppenlicht und Heizungspumpe ab, ob eine deutliche Ausweitung der Strombezugsmengen möglich ist. Oder ob der Energieversorger dies nur im Rahmen eines neuen Vertrages ermöglicht. Das ist momentan nur bei hohen Preisen, häufig oberhalb von 60 Cent je Kilowattstunde, möglich.

„Der faktisch vermutlich meist notwendige Abschluss eines neuen Strombezugsbvertrages seitens des Vermieters, sofern er Vollstrom liefert, kann derzeit echt zu einem großen Preisproblem führen”, sagt Vogtmann. Das sei ein ganz neues Problem für diejenigen, die ein Mieterstromprojekt initiieren wollen. „Sie müssten sich also vorher erkundigen, wie sich der Bezugsstrompreis nun darstellen würde, und dann entscheiden, ob der Mischstrompreis überhaupt noch attraktiver sein kann als die alten Strompreise der einzelnen Mieter und Eigentümer in ihren Wohnungen.”

Zählermodelle und Messkonzepte für Mieterstrom

Bei einer Vollstromversorgung setze man meist auf einen Summenzähler, erläutert Vogtmann, der als einziger Zähler des Hauses den Bezug aus dem Stromnetz misst. Und am besten sei es dann, alle Mieter:innen für das Mieterstromprojekt zu gewinnen. Der Vermieter schließt einen Stromliefervertrag ab und komplettiert damit das eigene Solarstromangebot. Allerdings haben alle Mieter:innen das Recht, einen anderen Stromversorger zu wählen. Schert nur einer aus, muss das Zählerkonzept angepasst werden.

Sofern der Vermieter selbst über einen attraktven Stromliefervertrag für den gesamten im Haus verbrauchten Strom verfügt und diesen mit Solarstrom kombiniert, wird er auch die Mieter:innen dafür gewinnen können. In diesem Rahmen sind dann auch weitere Varianten möglich, wie die Vermietung inklusive Solarstrom. Die DGS hat dafür in Kooperation mit dem Rechtsanwalt Peter Nümann Musterverträge entwickelt.

Einfache Mieterstrommodelle

Rechtlich einfacher wäre es, wenn sich der Vermieter im Modell des ungeförderten Mieterstroms auf die Lieferung nur des Solarstroms (oder anderer Stromerzeuger im Gebäude) beschränken kann. Das ist nach Aussage der Bundesnetzagentur möglich. Doch bei diesem Modell muss klar sein, wie viel Solarstrom die einzelnen Mieter:innen tatsächlich bezogen haben. Bislang wirbt aber nur das Unternehmen Pionierkraft mit einer technischen Lösung. Mit einer Kombination aus Hard- und Software will es genau diese Trennung ermöglichen und messbar machen. Nach Aussage des Unternehmens sind aber derzeit nur Vorbestellungen möglich. Der eigentliche Marktstart ist noch nicht erfolgt.
Vermieter:innen, die sich nicht mit solchen Abgrenzungs- und Abrechnungsfragen befassen wollen, haben auch die Möglichkeit, die Solarstromanlage in die Wärmeversorgung einzubinden. Wie Vogtmann erklärt, sei es dann möglich, die Wärmepumpe mit Solarstrom zu versorgen. Als Kosten könnten Vermieter:innen in der Betriebsabrechnung die üblichen Strombezugskosten angesetzen.

16.9.2022 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

Eine Broschüre „Betriebskonzepte für Photovoltaik auf Mehrfamllienhäusern” gibt die Energieagentur Regio Freiburg heraus. Sie steht kostenlos zum Download im Netz.
Die Broschüre gibt den Stand von Juni 2022 wider und wird von der Energieagentur regelmäßig aktualisiert.

Musterverträge zu verschiedenen Formen des Mieterstroms von der DGS Franken
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