Wettlauf um Wasserstoff-Markt hat begonnen

Auf einer grünen Wiese stehen links Solarmodule, im Hintergrund Windkraftanlagen, rechts Container mit der Aufschrift H2 - Hydrogen (Wasserstoff)Foto: malp / stock.adobe.com
Mit seiner heute zu Ende gehenden Tagung will der Forschungsverbund Erneuerbare Energien (FVEE) auch darauf aufmerksam machen, dass es jetzt um Marktanteile für deutsche und europäische Wasserstofftechnologien geht. Der FVEE sieht Europa in einem Wettbewerb mit anderen Kontinenten.

Für Prof. Frithjof Staiß ist es nicht nur ein Wettbewerb, es ist ein Wettlauf, wenn es um künftige Märkte für Wasserstofftechnologien geht. Staiß ist geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW). Er befasst sich seit Jahrzehnten mit diesem Zukunftsthema. Jetzt gehe es darum, einerseits die Technologien noch weiter zu entwickeln, aber auch in die Märkte einzusteigen. Eine Reihe von Unternehmen sei bereits dabei, Produkte zur Marktreife zu bringen. „Time to Market ist der Erfolgsfaktor“, so Staiß.

Wasserstoff bald marktreif

Die Idee, Wasserstoff mit Hilfe von erneuerbaren Energieträgern zu gewinnen sei nicht neu, sagt Maike Schmidt vom ZSW. „Sie konnte aber in der Vergangenheit noch nicht umgesetzt werden, weil die erneuerbaren Energien damals noch zu teuer waren und marktreife Wasserstoff-Schlüsseltechnologien sowie das erforderliche Kapital für Investitionen fehlten.“ Das sei jetzt anders.

Die Tagung des FVEE will auf die Chancen hinweisen. Staiß rechnet vor, mit einer Milliarde Euro Umsatz im Markt für Wasserstoff-Elektrolyseure seien im Schnitt etwa 70.000 Arbeitsplätze verbunden. Und bis 2030 sei ein Marktvolumen von 30 bis 40 Milliarden Euro zu erwarten. Gerade auch für den deutschen Maschinenbau eröffneten sich hier große Möglichkeiten. Staiß sieht hier auch eine andere Situation als bei der Photovoltaik.

Wettlauf um Leitmärkte

Im Bereich der Photovoltaik war Deutschland vor einigen Jahren der Leitmarkt. Das galt sowohl für die Anwendung als auch die Produktion. Doch beim eigentlichen Markthochlauf der Photovoltaik liefen jedenfalls zwischenzeitlich andere Regionen der Welt, insbesondere Asien, Deutschland und Europa den Rang ab. Das lag auch daran, dass es in Europa versäumt wurde, die Hochskalierung der Produktion aktiv zu unterstützen. Warum sollte das beim Wasserstoff anders sein?

Staiß weist darauf hin, Photovoltaik und Wasserstoff-Technologien unterschieden sich. Die Photovoltaik-Module seien ein Produkt, das viele herstellen könnten. Bei Wasserstoff-Technologien komme es aber auf einen gut aufgestellten Maschinen- und Anlagenbau an. Das sei in Deutschland der Fall.

Deutschland wettbewerbsfähig

Die Wettbewerbsfähigkeit analysiert auch das Team um Patrick Jochem vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR). Es ermittelt das Potenzial zukünftiger Marktführer für Wasserstoffproduktionstechnologien. Dabei berücksichtigen sie beispielsweise Ausbauziele und weitere relevante Ankündigungen, Patentanmeldungen sowie artverwandte Produktmärkte. Jochem fasst erste Erkenntnisse der Potenzialanalyse zusammen. „Die Ausgangsposition Deutschlands für eine künftige Leitanbieterschaft bei Wasserstofftechnologien ist verheißungsvoll.“ Aber es bestünden erhebliche Marktunsicherheiten. Es sei ungewiss ob Deutschland seine Marktposition beibehalten könne.

Noch langer Atem erforderlich

Klar scheint auch, dass es derzeit noch viel Geld kostet, die Entwicklung des Wasserstoff-Marktes voranzutreiben. In einem Positionspapier erklärt der FVEE: „Als Energieträger muss grüner Wasserstoff seinen Anteil im Energiesystem langsam aber stetig steigern, weil die Erzeugungskapazitäten ebenso wie die Technologien auf der Anwendungsseite eine enorme Skalierung durchlaufen müssen, bevor die breite Marktdiffusion beginnen kann. Dies dürfte ab 2030 der Fall sein.“ Zunächst ist bei der Stützung von Forschung, Entwicklung und dem Markthochlauf also ein langer Atem nötig.

Für die Forscher sind Wasserstoff und seine Folgeprodukte zentrale Optionen zur Sektorenkopplung. Sie seien ein wesentlicher Bestandteil vieler Power-to-X-Pfade, so der FVEE in seinem Positionspapier: „Die Stärken des Wasserstoffs liegen dabei in seiner Rolle als flexibles Bindeglied in einem EE-Strom-basierten Energiesystem, in der Möglichkeit der saisonalen Speicherung von EE-Strom und in der Möglichkeit zur Defossilisierung von nicht oder nicht einfach elektrifizierbaren Prozessen.“

Grüner Wasserstoff ein rares Produkt

Sarina Keller vom DLR weist darauf hin, Wasserstoff, insbesondere grüner Wasserstoff, bleibe für längere Zeit „ein rares Produkt“. Daher sieht sie etwa den Wärmesektor zumindest in den nächsten Jahrzehnten nicht als Anwendungsbereich. Das sei eine Frage der Nutzungskonkurrenz. Die Frage sei, so Keller: „Welche Anwendungen können nur mit Wasserstoff klimaneutral werden?“

Dabei ist für den FVEE klar, dass Wasserstoff aus fossilen Quellen nur für eine begrenzte Übergangszeit eine Option sein sollte, um die Märkte für Wasserstoff zuverlässig in der Aufbauphase zu bedienen. Doch letztlich müsse Wasserstoff grün, also regenerativ erzeugt, sein, macht Raphael Niepelt vom Institut für Solarenergieforschung in Hameln (ISFH) klar. „Die gute Nachricht ist“, berichtet Niepelt, „dass die Preise für Erneuerbare seit Jahren sinken, was die Elektrolyse mit grünem Strom immer preiswerter macht. Dadurch ist die Produktion von grünem Wasserstoff auch in Deutschland und Europa wirtschaftlich.“

11.11.2021 | Autor: Andreas Witt
© Solarthemen Media GmbH

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