Peter Ahmels: Ü20-Anlagen sollten noch lange laufen

Portraitfoto von Peter AhmelsFoto: Heidi Scherm / DUH
Dr. Peter Ahmels: Schon 1991 hat der damalige Landwirt auf seinem Hof in Hooksiel das erste Windrad in Friesland in Betrieb genommen. Jetzt ist er Senior Advisor Energie und Klimaschutz bei der Deutschen Umwelthilfe. Von 1996 bis 2007 war er Vorsitzender des Bundesverbandes Windenergie. Die Solarthemen sprachen mit ihm über die Perspektiven für ältere Windkraftanlagen.

Solarthemen: Ihre Windkraftanlagen können 2021 weiterlaufen, weil Sie mit der Naturstrom AG einen Vertrag über eine Stromlieferung, neudeutsch PPA,  schließen konnten. Wie lange ist der Weiterbetrieb der Anlagen von Peter Ahmels dadurch gesichert?

Peter Ahmels: Zwei Faktoren sind dafür wichtig. Der eine ist die technische Verfügbarkeit. Die ist jetzt durch Gutachten bis etwa 2025 gewährleistet. Der zweite ist die kaufmännische  Basis. Die ist durch den Vertrag mit Naturstrom zunächst mal für ein Jahr gesichert. Und wie es danach weitergeht, werden wir sehen.  

Solarthemen: Es ist auch eine politische Frage, wie es mit den Altanlagen, die rund 20 Jahre oder in Ihrem Fall sogar fast 30 Jahre laufen, weitergeht. Im Entwurf für die EEG-Novelle soll es eine Anschlussregel für ältere Anlagen nur für eine Leistung bis 100 Kilowatt geben. Das wird in der Regenerativ-Branche kritisch gesehen. Aber zeigt nicht gerade Ihr eigenes Beispiel, dass eine gesetzliche Garantie für die abgeschriebenen Anlagen eventuell gar nicht mehr erforderlich ist?

Spezielle Hilfe für U20-Anlagen schaffen

Peter Ahmels: Da kann man geteilter Ansicht sein. Es kann gut gehen mit dem Markt. Wie es unser Beispiel zeigt, kann der Betrieb, sollten keine bösen Überraschungen mehr kommen, so funktionieren. Das Problem ist aber – und auch das hat sich in diesem Jahr sehr konkret gezeigt, dass in der Phase des Lockdowns der Strompreis stark gesunken ist und dann Windkraftanlagen, die technisch noch ok sind, stillgelegt werden, weil die Betriebskosten zu hoch sind. Die gehen dann vom Markt, obwohl sie bei einem normalen Preisniveau noch gut weiterlaufen würden. Es wäre daher sehr hilfreich gerade für die älteren Maschinen, für solche speziellen Situationen eine Art Überbrückung zu schaffen, die einerseits einen gewissen Mindestpreis beziehungsweise eine untere Richtschnur einzieht, dann aber auch, wenn der Preis ein bestimmtes Niveau übersteigt, den Mehrertrag abschöpft. Das würde das Risiko der Betreiber verringern, aber die Stromkunden letztlich nicht mehr Geld kosten. 

Solarthemen: Wie viel Vergütung wird tatsächlich benötigt, damit alte Windkraftanlagen weiterlaufen könnten?

Peter Ahmels: Da muss man sich die Situation der einzelnen Anlagen sehr genau ansehen. Bei unseren ist der erforderliche Preis relativ weit oben angesiedelt, weil wir ein sehr hohes Maß an Abschaltungen durch den Netzbetreiber haben.  Das ist an anderen Standorten deutlich geringer. Da muss jeder Anlagenbetreiber selbst kalkulieren, ob er angesichts seiner Kosten wie Pacht, Versicherungen und Wartung das Risiko des Weiterbetriebs eingehen kann, ob er eine Chance hat oder bei der kleinsten Reparatur sagen muss: Sorry, das war’s.

Windkraft erwachsen

Solarthemen: Wir sehen nun bei neuen Offshore-Windparks sehr geringe Gebote. Und auch das aufkommende PPA-Geschäft könnte belegen, dass die Windkraft erwachsen geworden ist. Braucht man da überhaupt noch ein EEG für die Windkraft?  

Das kommt darauf an, welche Player man haben möchte. Die sehr geringen Preisangebote, von denen ich aus dem Offshore-Bereich weiß, sind in der Regel von finanzstarken Unternehmen, die auch mal eine Durststrecke überbrücken können. Die können dieses Risiko eingehen. Das ist in der Regel aber bei den kleineren Betreibern insbesondere im Onshore-Bereich nicht der Fall. Das trifft vor allem auf die älteren Windparks zu. Da ist das Finanzpolster gering und geringe Preise führen dann zur Abschaltung.

Solarthemen: Ich vermute, Sie haben noch einen guten Kontakt zu anderen Pionierwindkraftbetreibern. Wie ist dort die Stimmung bzw. die Einschätzung zum Fortbestand der Anlagen? Legt man dort eine gewisse Hoffnung in PPAs oder fürchtet man, dass viele Anlagen das Jahr 2021 nicht überstehen werden?

Bislang keine Zukunft für Ü20-Anlagen

Peter Ahmels: Ich bin da tatsächlich etwas erschrocken. Denn von einem befreundeten Kollegen habe ich gehört, dass von den 4 Gigawatt Windkraftleistung, die Anfang nächsten Jahres aus dem EEG herausfallen, sich nur ungefähr 1 Gigawatt um Nachfolgeverträge gekümmert hat. Die anderen 3 Gigawatt stehen jetzt noch mit bloßen Händen da. Die haben keine Regelung getroffen, wie ab dem 1. Januar 2021 eine Vermarktung stattfinden kann. Insofern scheint es mir nicht nur ein organisatorisches oder finanzielles, sondern auch ein Kommunikations-Problem zu sein, obwohl an jeder Stelle und oft genug darauf hingewiesen wurde. Aber ich habe das Gefühl, dass vielen Kollegen noch nicht klar ist, dass eine neue Zeitrechnung anfängt und sie sich aktiv mit der Vermarktung ausein­andersetzen müssen. 

Solarthemen: Woran liegt das? 

Peter Ahmels: Es sind die neuen Prozesse, wie die Ummeldung und das Schaffen der technischen Voraussetzungen. Es ist vielen nicht bewusst, wie lange es dauert, die Vermarktung möglich zu machen. Es können natürlich nicht alle Betreiber sofort in den Markt gehen, aber nun haben wir nur noch ein Vierteljahr, bis Anlagen aus dem System fallen. Das macht mich etwas ratlos. 

Repowering oft nicht möglich

Solarthemen: Nun gab es schon in den vergangenen Jahren einige Repowering-Projekte. Ist das nicht sowieso besser, als mit nicht ganz so effizienten Anlagen die guten Standorte zu blockieren?

Peter Ahmels: Diese Diskussion wird schon seit einigen Jahren geführt. Und die Option ist auch von den Kollegen, die repowern konnten, intensiv wahrgenommen worden. Dort, wo die Regionalpläne entsprechend geändert wurden, sind die Anlagen rechtzeitig ersetzt worden. Die sind auf Stand und können auf Basis des EEG noch einige Jahren laufen. Das Problem sind die Anlagen, die nicht auf ausgewiesenen Windkraftflächen stehen und nicht repowert werden können. Da gibt es nur die Wahl zwischen Weiterbetrieb dieser alten Anlagen oder Aufgabe eines solchen Standortes für die Windkraft. Dort, so meine Auffassung, sollte man die Anlagen so lange weiter betreiben, wie es technisch möglich ist. 

Mehr Akzeptanz für Windkraft

Solarthemen: Akzeptanz ist ein Thema. Sie wird im politischen Raum gern genutzt, um restriktive Regelungen zu begründen, allen voran der 10-H-Abstand in Bayern. Sehen Sie auch dieses Akzeptanzproblem oder bewerten Sie das anders?

Peter Ahmels: Ich bin der Ansicht, dass es gerne genutzt wird und die Politik gerne die Sorgen von Anwohnern, wie den befürchteten Lärm oder Schattenschlag, aufnimmt, ohne genauer hinzuschauen. Dabei ist das Immissionsschutzrecht schon sehr genau und mögliche Belastungen lassen sich konkret definieren. Man weiß sehr genau, was wo geht und was nicht. Trotzdem  werden Flächenutzungs-, Regional- und Bebauungspläne immer wieder beklagt. Sehr häufig wird hier der Naturschutz als Grund angeführt. Und dann liegen die potenziellen Windkraftflächen jahrelang brach, ohne dass etwas passiert. Ich finde das unverantwortlich, weil die große gesellschaftliche Aufgabe darin besteht, bis 2050 alles dekarbonisiert zu haben. Zögerliches Verhalten und ängstliche Bedenken halten uns davon ab, hier aktiv zu werden. 

Solarthemen: Auch die EEG-Novelle greift die Akzeptanzförderung auf. So sollen die Betreiber der Anlagen an die Kommunen pro Kilowattstunde eine bestimmte Gebühr zahlen. Ist das ein guter Weg?

Nutzen für Kommunen

Peter Ahmels: Das ist ein absolut richtiger und notwendiger Weg, den wir auch als Deutsche Umwelthilfe seit Jahren fordern. Die Kommunen müssen einen Nutzen von der Windenergie haben. Wir halten diese Form des Geldflusses in die Kommunen für richtig, der ihnen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben hilft. Es ist auch eine Kompensation für die Inanspruchnahme der Landschaft. 

Solarthemen: Bisher ist der Novellenvorschlag noch ein erster Entwurf, der zu diskutieren ist. Ist denn die Idee zur Beteiligung der Kommune so schon die richtige?

Peter Ahmels: Das ist grundsätzlich so schon richtig, ohne Wenn und Aber, dass von jeder produzierten Kilowattstunde etwas in die Kommune fließt.  Die muss damit rechnen können. Das war bei der Gewerbesteuer bislang oft nicht der Fall. 

Wege aus der Windkraft-Krise

Solarthemen: Die Windkraft ist in Deutschland in einem schwierigen Fahrwasser. Wo sehen Sie die Hauptansatzpunkte, um diese Situation zu überwinden? 

Peter Ahmels: Den Ansatz mit der kommunalen Wertschöpfung halte ich für sehr wichtig, damit es mehr Unterstützer für die Windenergie gibt. Der zweite Punkt, den wir für wichtig und erheblich halten und der noch nicht ausreichend geklärt ist, das sind die Auswirkungen der Windkraft auf den Artenschutz. Hier ist nicht klar, wie diese möglichen Auswirkungen zu bewerten sind, wo die Signifikanzschwelle liegt. Es gibt sehr viele Unsicherheiten, wie das zu berechnen ist. Und dies führt häufig auch zu unsicheren Bewertungen in Gerichtsverfahren. Auch dies lässt Projekte im rechtlichen Raum hängen, sodass die Investoren am Ende auch die Lust verlieren. 

Solarthemen: Sind diese beiden Punkte denn sogar wichtiger als die finanzielle Absicherung durch das EEG? 

Peter Ahmels: Natürlich ist es für kleine Betreiber hilfreich, wenn sie Investitionssicherheit haben. Aber das ist nicht das Hauptproblem, sondern dass selbst bei einer kalkulierbaren Förderung die Hindernisse im Genehmigungsverfahren so groß sind, dass am Ende von den sechs bis sieben Gigawatt, die wir bauen müssten, viel zu wenig übrig bleibt. So erreichen wir die klimapolitischen Erfordernisse nicht einmal im Ansatz. 

17.9.2020 | Text: Andreas Witt, Solarthemen | solarserver.de
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